Dezember 2018
Der Vorstand der gemeinnützigen knodel foundation Patrick Knodel spricht im Interview über die Zielsetzungen der Stiftung, die Kriterien zur Auswahl von Förderprojekten sowie seine persönliche Motivation.
Mit 33 Jahren bist du Vorstand einer Stiftung: Ist dir das Helfer-Gen in die DNA gelegt worden?
Ein überdurchschnittliches Gerechtigkeitsempfinden hatte ich wohl schon als Kind. Daraus erwuchs in meinen 20ern, beim Reisen mit dem Rucksack durch die Welt, der Wunsch, diese etwas besser zu machen. Wir im Westen sehen uns da ja immer als die Aufgeklärten, die den anderen zeigen müssen, wie man es macht. Vor Ort relativiert sich das dann aber meistens. Denn unterwegs bekommt man schneller ein Verständnis für Ursache und Wirkung.
Gab es eine Art Schlüsselerlebnis für dich?
Ja, tatsächlich, und zwar in Malaysia. In der Schule hatte ich immer gehört, dass jeden Tag Urwaldflächen so groß wie Fußballfelder verschwinden. Das fand ich schlimm, aber damals nicht greifbar. Dann bin ich am ersten Tag rund 350 Kilometer von Singapur nach Kuala Lumpur gefahren, durch eine Landschaft, die vor 100 Jahren mal komplett aus Urwald bestand. Und heute sieht man da nichts anderes als Palmölplantagen. Das hat mich wie ein Hammer getroffen. Und dann habe ich mal darauf geachtet, wo Palmöl überall drin ist. Ergebnis: beinahe überall. Als ich ein paar Wochen später in der Zeitung von einem Bauprojekt in London las, dessen Investor ein großer Palmölkonzern aus Malaysia war, da dachte ich mir: So kann es doch nicht weitergehen. Dieser zerstörerische Kreislauf ist Irrsinn.
Wie kam es von der persönlichen Erkenntnis zum Gedanken, eine Stiftung einzurichten?
Ich diskutiere gerne zu diesen Themen, unter anderem auch immer wieder mit meinem Vater. Natürlich sind wir nicht immer einer Meinung, was wohl zwischen Vater und Sohn ganz normal ist. Eines Abends haben wir mal wieder über die Welt geredet und wurden uns nicht wirklich einig. Da hat er dann irgendwann in breitestem Schwäbisch zu mir gesagt: „Net bloss schwätza, jetzt mach amol ebbes! Mir gründet a Stiftung!“ Ein Jahr später habe ich meinen Job gekündigt und bin zur PANDION gekommen, um dieses Projekt zu starten.
War die inhaltliche Ausrichtung der Stiftung von Anfang an klar?
In groben Zügen ja. Am Anfang wollten mein Vater und ich ein Interview eigenes Projekt im Bereich Bildung in Afrika umsetzen. Ich bin dann nochmal drei Wochen alleine mit dem Rucksack gereist. Nicht in Afrika, sondern in Nicaragua, wo ich mir Projekte in den Barrios angeschaut habe. Danach war schnell klar: Unser Ansatz ist möglicherweise nicht zielführend. Also habe ich die folgenden Monate mit Gesprächen und Recherchen verbracht und versucht, möglichst viele NGOs, Stiftungen, Beratungen und alle möglichen Leute mit Erfahrung im Sozialwesen und in der Entwicklungszusammenarbeit zu treffen.
Was hast du dabei gelernt?
Die wichtigste Erkenntnis: Warum sollen wir etwas Eigenes machen, wenn jemand anderes schon jahrelange Erfahrung gesammelt hat und sein Konzept funktioniert? Ein eigenes Projekt erfordert ein Team mit Administration, Zugang zum Zielgebiet und lokale Verbindungen und führt dazu, Fehler zu machen, die ein anderer schon gemacht hat. Die wichtigste Entscheidung: kein eigenes Projekt aufzusetzen, stattdessen gute Konzepte zu recherchieren, diese zu prüfen und dann zu unterstützen. So schafft man positive Multiplikatoren, idealerweise aus einer intrinsischen Motivation vor Ort heraus.
Nach welchen Kriterien sucht ihr Konzepte aus?
Die Arbeit der meisten NGOs und Stiftungen orientiert sich heute an den nachhaltigen Entwicklungszielen der UN. Wir fokussieren uns auf drei dieser Ziele, nämlich Quality Education, Responsible Consumption and Production und Peace, Justice and strong Institutions. Zusätzlich dazu engagieren wir uns in der Not- und Katastrophenhilfe.
Wieso ausgerechnet diese Ziele?
Bildung ist die Basis für alles Weitere, davon muss man die wenigsten überzeugen. Bei verantwortungsvollem Konsum und verantwortungsvoller Produktion wird es schon schwieriger. Denn hier geht es nicht darum, „etwas für Afrika zu spenden“, hier muss man bei sich selbst anfangen. Aus meiner Sicht ist der Wirkungsgrad in diesem Bereich extrem hoch, zum Beispiel in Bezug auf die Umweltauswirkungen. Auch bei uns in Deutschland besteht da noch viel Luft nach oben. Der letzte Punkt, nämlich Frieden, Gerechtigkeit und starke Institutionen, wird wohl am meisten unterschätzt.
Warum?
Wir haben uns scheinbar damit abgefunden, dass seit Jahrzehnten Kriege zwischen mächtigen Nationen auf dem Boden von Drittländern ausgetragen werden. Aktuelle Beispiele für solche Stellvertreterkriege sind Jemen und Syrien. Die Schäden, die Kriege anrichten, versuchen NGOs mit Spendengeldern zu regulieren. Ziel muss es aber sein, dass die Schäden gar nicht erst entstehen. Dazu braucht es ein Umdenken, das zur Veränderung von Systemen führt. Ein schönes Beispiel für systemische Veränderung ist der Kampf um Rechtssicherheit für die Ärmsten und gegen die Sklaverei durch unseren Partner International Justice Mission (IJM). Denn salopp gesagt: Was hilft einem Bauern in Sambia ein Mikrokredit, wenn der Nachbar ihm ungestraft den Schädel einschlagen und mit dem Geld verschwinden kann?
Wie ist die Zielsetzung der Stiftung?
Vereinfacht gesagt: Wirkung erzielen und Systeme verändern. Früher haben sich viele Spender am Bau einer Schule irgendwo in Afrika beteiligt und gesagt: „Super, da steht jetzt eine Schule.“ Damit die Schule aber auch angenommen wird, braucht es qualifizierte Lehrer sowie Schüler, die dort zum Unterricht kommen. Die etwas lernen wollen, denen das Gelernte etwas nutzt, deren Leben sich im Anschluss zum Besseren wendet. Nur dann erziele ich mit der Schule eine Wirkung. Idealerweise schaffen die ehemaligen Schüler später weitere positive Veränderungen. Dann hat man einen systemischen Wandel angeschoben.
Wie sieht die Arbeit der knodel foundation konkret aus?
Wir suchen gute Konzepte aus, prüfen sie und fassen sie in einem Projektantrag zusammen. Nach Genehmigung bekommt der Projektpartner die benötigte Summe und muss dann Berichte über den Projektfortschritt liefern. Das erweist sich in der Praxis als schmaler Grat: Wir wollen zwar kontrollieren, aber nicht durch Bürokratie von der Arbeit abhalten. Daher sind die Partner in der Form des Berichtswesens frei. Ich versuche, mir die Projekte Interview auch vor Ort anzusehen, um einen Eindruck zu bekommen. Reisen in Krisenregionen wie Irak, Niger oder Südsudan mache ich aber von der Sicherheitslage abhängig.
Wer kann sich fördern lassen?
Prinzipiell jeder, der in den genannten Bereichen einen guten Ansatz verfolgt und gemeinnützig ist. Letzteres ist leider eine Hürde des deutschen Rechts, weshalb manche Konzepte des Social Entrepreneurship für eine gemeinnützige Stiftung schwer zu unterstützen sind.
Was verstehst du unter „Social Entrepreneurship“?
Im Grunde ist das die dringend benötigte Vernetzung zwichen der „gemeinnützigen Welt“ und der „renditeorientierten Welt“. Sie kann gelingen, wenn Leute vor Ort aus eigener Motivation eine unternehmerische Tätigkeit anstreben, die zur Lösung sozialer Probleme beiträgt. Dazu braucht es finanzielles Engagement von außen, sogenannte Impact Investments.
Für wen kommen solche Impact Investments in Frage?
Ich erlebe schon, dass sich die Denkweise verändert. Mir sind genug Investoren bekannt, die sagen: „Mir reicht auch eine kleinere Rendite.“ Und das sind nicht alles Ökos. Je nach Rechtsform des Unternehmens können Investoren also sowohl gemeinnützige Stiftungen, als auch normale Investoren, z.B. Business Angels sein. Das Ziel muss sein, dass möglichst viel Kapital in diesen Sektor fließt, denn: Jeder investierte Euro hat eine Auswirkung, die Frage ist nur, ob diese positiv oder negativ ist.
Warum unterstützt die Stiftung vorwiegend Projekte in Afrika?
Eine geographische Beschränkung gibt es bei uns nicht, wir haben beispielsweise auch drei Projekte in Indien. Dennoch kommt diese Frage immer wieder, und oft mit einem vorwurfsvollen Unterton, weil es ja auch hierzulande so viel Leid gebe. Vorab: Jeder, der hier hilft, tut etwas Gutes. Und ich maße mir bestimmt keine Bewertung an, wenn jemand in Deutschland das Gemeinwohl fördert und nicht anderswo. Dennoch muss man klar sagen: Das Leid in anderen Teilen der Welt ist einfach viel größer als in Deutschland. Wir sprechen hier von fehlenden elementaren Grundlagen und von systemischen Fehlern, durch die ganze Generationen im Würgegriff gehalten werden. Insofern wollen wir dort ansetzen, wo unserer Meinung nach der Bedarf am größten ist.
Was steht der Arbeit der Stiftung im Weg?
Bei Gründung waren die bürokratischen Hindernisse enorm. Ein weiterer zentraler Punkt: Aufgrund der Konkurrenz um Spendengelder stehen Organisationen leider in einer gewissen Rivalität zueinander. Dabei sollten sie sich gerade in Bezug auf ihre Einsatzgebiete und Maßnahmen mehr untereinander vernetzen und absprechen.
Woher bekommt die knodel foundation ihr Geld?
Das Geld kommt nach derzeitigem Stand zu 100 Prozent von der PANDION AG. Das sind im Jahr 500.000 Euro, die komplett und ohne Abzüge für Projekte zur Verfügung stehen. Die Verwaltungskosten werden ebenfalls von PANDION getragen. Mein Vater ist daher momentan der Geldgeber, aber was die Inhalte angeht, hält er sich komplett raus. Überdies ist geplant, die Finanzierung auf breitere Füße zu stellen.
Wie soll das geschehen?
Prinzipiell kann sich jeder in Form einer Spende über unsere Website beteiligen. Wir sind als gemeinnützig anerkannt und stellen daher eine Spendenbescheinigung aus. Wir wollen aber nicht in einen Wettbewerb um Spenden mit klassischen NGOs treten. Wenn Menschen nicht so recht wissen, welchen Organisationen sie Geld geben wollen, dann steht unser Angebot: Wir stellen unsere Expertise bereit und bieten den Zugriff auf unser Netzwerk.
Wie wird deine Arbeit in deinem Freundeskreis wahrgenommen?
Meine Freunde finden es größtenteils gut, weil sie sehen, dass ich es aus Überzeugung mache. Dazu zählt auch, dass ich meine Lebensweise in vielen Bereichen stark verändert habe. Ich ernähre mich vegetarisch, achte auf Nachhaltigkeit und bin alles andere als konsumorientiert.
Was motiviert dich, der Arbeit mit so viel Begeisterung nachzugehen?
Absolut klasse finde ich die offene, positive Art der Menschen, die in diesem Umfeld arbeiten. Man sollte meinen, dass diejenigen, die sich mit den Problemen der Welt beschäftigen, frustrierter und schlecht gelaunt sind. Das Gegenteil ist der Fall. So viele Menschen mit einer so hohen Motivation habe ich noch in keinem Job oder Praktikum angetroffen.